Webinar: Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen nach der Ablehnung der Istanbul-Konvention

Das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, das als die Istanbul-Konvention bekannt ist, wurde von der Slowakei nicht ratifiziert. Andererseits war es die Zeit der COVID-19 Pandemie mit der Notwendigkeit der sozialen Distanz und des Verbleibens von Familien in Haushalten für längere Zeit, die das Thema häuslicher Gewalt mit neuer Dringlichkeit aufwirft.

Wie die Slowakei trotz der Ablehnung, die Istanbul-Konvention zu ratifizieren, im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt vorgehen wird, diskutierten in einem weiteren  Webinar von FES-SK und euractiv.sk. Sabine Kräuter-Stockton, Staatsanwältin von Sachsen und Mitglied des Expertenausschusses GREVIO (Group of Experts on Action against Violence against Women and Domestic Voilence), dessen Aufgabe ist es die Anwendung der Bestimmungen der Istanbul-Konvention zu kontrollieren, Oľga Pietruchová, Direktorin der Sektion für Gleichstellung und Chancengleichheit des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Familie der Slowakischen Republik, Marián Filčík, Direktor der Sektion für Menschenrechte des Justizministeriums der Slowakischen Republik und Veronika Bílková von der Sektion für internationales Recht der Rechtsfakultät der Karlsuniversität in Prag, die auch Mitglied der Venedig-Kommission des Europarates ist.

Das Übereinkommen des Europarates über Gewalt gegen Frauen, das das umfassendste internationale Rechtsdokument in Bereichen dieser Art von Gewalt darstellt und von den UN  als „Goldenes Standard“ angesehen wird, wurde von allen EU-Ländern mit Ausnahme der  baltischen Länder, Ungarns, Tschechiens, Bulgariens und der Slowakei ratifiziert.  Andererseits  wird die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen als eine der Prioritäten im Programm der neuen slowakischen Regierung bezeichnet. Die Slowakei muss dem Problem der häuslichen Gewalt in den kommenden Jahren gebührende Aufmerksamkeit widmen, unabhängig davon, ob wir internationalen Übereinkommen beitreten.

Wie Sabine Kräuter-Stockton aus Saarland am Anfang der Diskussion sagte, basiert die Istanbul-Konvention auf drei „Pillars“, sogenannte drei „P-s“ – Prevention/Prevention, Protection/Schutz der Opfer und ihrer Kinder und Prosecution/Strafverfolgung von Tätern. Dieser Kampf kann nur dann erfolgreich sein, wenn diese Pillars, ihre gesetzliche Regelung und praktische Anwendung durch gesetzliche, administrative und andere Instrumente koordiniert und integriert werden. Wegen diesem umfassenden Ansatz betrachtet Frau Stockton die Istanbul-Konvention als das wirksamste Instrument im Kampf gegen häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen, und das nicht nur, weil sie eine genaue Liste an spezifischen Punkten, Aufgaben, Maßnahmen, die von den Ländern zu befolgen sind, sondern weil sie durch den internationalen Charakter ein gewisses externes „Korrektiv“, in den Fällen wo die nationale Gesetzgebung oder Praxis des Schutzes vor dieser Art von Gewalt nicht ausreichend funktioniert, bietet.

Oľga Pietruchová, die derzeitige Direktorin der Abteilung für Gleichstellung und Chancengleichheit des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Familie erklärte, dass die Slowakei eines der ersten Ländern war, das im Jahr 2011 die Istanbul-Konvention unterzeichnet und anschließend die innenstaatliche Gesetzgebung im großen Rahmen daran angepasst hat, und gleichzeitig wurde das Koordinierungs- und Methodenzentrum zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen eingerichtet, das bis heute besteht und als Vorbild für andere Länder dient. Gleichzeitig gab es eine politische Welle des Wiederstands gegen das Thema der Gleichstellung der Geschlechter, s.g. „Genderideologie“ und diese Gruppen haben die Istanbul-Konvention als Symbol ihres Kampfes genommen. Laut Oľga Pietruchová machte dies eine sachliche Diskussion zum Thema Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt weitgehend unmöglich und erschwerte zugleich die Annahme neuer Instrumente, Rechtsvorschriften und internationaler Übereinkommen, die diese Art von Gewalt spezifisch definieren und darauf abzielen sie zu bekämpfen. Trotz dieser Entwicklung wurde auf praktischer Ebene die Funktionsweise der Institute zum Schutz von Opfern häuslicher Gewalt eingerichtet, mehrere Projekte wurden durchgeführt, die jedoch aus ausländischen Mitteln finanziert werden, und deshalb die Nachhaltigkeit ihrer Finanzierung, und damit verbundene Stabilität dieser Mittel, problematisch bleibt.

Das Problem der Nachhaltigkeit der Finanzierung der Institute zur Prävention und zum Schutz vor häuslicher Gewalt in der Slowakei, bestätigte auch der Direktor der Abteilung für Menschenrechte des Justizministeriums der Slowakischen Republik Marián Filčík. Seiner Meinung nach ist die Slowakei rechtlich, technisch und administrativ vorbereitet das Übereinkommen anzunehmen. Für offen und problematisch sieht er die Frage der legislativen Definition von sexueller Gewalt. Während in internationalen Dokumenten als sexuelle Gewalt alle Handlungen ohne Zustimmung der betroffenen Personen betrachtet werden, definiert unsere Gesetzordnung diese Gewalt als eine Handlung, bei der es zum Zwang kommt, also Wiederstand ist überwunden, was eine ältere Definition ist. Die Überwindung dieses Unterschieds nimmt Filčík im slowakischen politischen Kontext als anstrengend wahr.

Veronika Bílková von der Karlsuniversität in Prag widmete sich in ihrer Rede der Wiederlegung verschiedener Mythen in Bezug auf die Bedrohung der Institution der Ehe oder die Durchdringung der s.g. „Genderideologie“ in den Bildungsprozess und anderer, die wiederholt geäußert werden, nicht nur im Rahmen der Bemühungen zur Ratifizierung der Istanbul-Konvention, aber auch im Zusammenhang mit sexueller Gewalt gegen Frauen. V. Bílková sagte, dass es keine verfassungsrechtlichen Hindernisse für die Ratifizierung der Istanbul-Konvention gibt und ihre Ablehnung nur eine Frage des politischen Willens ist.

Diskutiert wurde auch über die s.g. strukturelle Gewalt gegen Frauen, Einschränkung der reproduktiven Rechte, wie auch ökonomische Unterwerfung, das Thema der kulturellen Gewohnheiten und Traditionen, durch die Stereotypen und Gesellschaftsatmosphäre entstehen, die die unterworfene Position der Frauen in der Gesellschaft festigen, z. B. die Slowakei ist eines der wenigen Länder, wo körperliche Bestrafung nicht gesetzlich verboten ist.

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