Die Slowakische Vertretung der deutschen politischen Stiftung, Friedrich Ebert Stiftung, stellte die Publikation „Renten - gerecht und nachhaltig“ vor. Zwei slowakische und zwei tschechische Expert*innen brachten eine fachliche Alternative zur Zukunft des Rentensystems.
Laut Herausgeber Braňo Ondruš, ehemaliger Staatssekretär des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Familie der Slowakischen Republik, werfe die Publikation einen neuen Blick auf die aktuelle Debatte über Änderungen des Rentensystems. Sie bringe die Nachhaltigkeit einer Änderung mit der grundlegenden Funktion des Rentensystems in Einklang, nämlich den Menschen im Alter ein angemessenes und würdiges Leben zu sichern.
Eine Analyse der Leistung der zweiten Säule in den ersten 15 Jahren ihres Bestehens bestätigt die ausländischen Erkenntnisse: Von den 10,232 Milliarden Euro an Vermögenswerten entfallen 10,032 Milliarden Euro auf die Einlagen der Bürger*innen. In 15 Jahren also nur 2 % des Gesamtvermögens. Noch schlechtere Ergebnisse zeigen sich jedoch bei der Höhe der bereits gewährten Renten aus der zweiten Säule. Die Art und Weise, wie sie berechnet werden, zeigt, dass die Auszahlungsphase so gestaltet ist, dass Männer nur die Hälfte - und Frauen nur etwas mehr - der angesammelten Mittel beziehen können. Zum Beispiel haben die Lebensversicherungsgesellschaften, die die Rente auszahlen, aus einem Vermögen von 9.000 € eine monatliche Rente von 27-31 € gewährt, d. h. der Rentner oder die Rentnerin muss sie 25-28 Jahre lang erhalten, um den Betrag vollständig auszuschöpfen. In Wirklichkeit leben die Frauen in der Slowakischen Republik jedoch 18 Jahre nach der Pensionierung und die Männer nur 8 Jahre. Daher wird auch ein höherer Sparbetrag nicht das bringen, was die Teilnehmer*innen der zweiten Säule wollen : eine angemessene Rente.
Angesichts der Verteilung der „Sparer*innen“ in Bezug auf das Einkommen sind die veröffentlichten Informationen zur Auswertung in den „besten“ Fonds der II. Säule jedoch irreführend. Selbst der extrem hohe Wertzuwachs einiger Fonds im letzten Jahr bedeutet für die meisten einen Gewinn von 500 € oder weniger, was sich auf einige zehn Cent pro Monat für ihre künftige Rente auswirken wird. „Die zweite Säule ist kein Perpetuum mobile für Geld, sie kann es nicht aus dem Nichts machen,“ erklärt Braňo Ondruš. „Was Menschen als Anleger verdienen, zahlen sie als Verbraucher.“ Außerdem erhöht sich durch die Existenz der zweiten Säule die öffentliche Verschuldung, die wiederum von denselben Personen durch Steuern bezahlt wird.
Mária Svoreňová von KOZ SR macht auf eine neue Studie der Weltbank (Altiparmakov and Nedeljkovic, 2021) aufmerksam. Diese stellte mithilfe empirischer Erkenntnisse fest, dass die privaten Pensionskassen in Ländern Mittel- und Osteuropas weniger dynamisch und effizient sind, und damit schlechter als kontinuierlich finanzierte Systeme. Ein praktischer politischer Beweis für diese Schlussfolgerung ist, dass alle Länder der zentraleuropäischen Region, die ein zweisäuliges Rentensystem eingeführt haben, dieses nach einiger Zeit wieder abschafften. Schweden stellt eine Ausnahme dar. Dort zahlen die Menschen in die II. Säule allerdings nur zwei Prozent des Einkommens (im Vergleich zu 6 % in der Slowakischen Republik) ein, und 90 % der Teilnehmer*innen investieren Geld in die sogenannten Ausfallfonds - durch den Staat festgesetzte, konservative Fonds - und nicht in Aktienfonds.
In der Publikation belegen die Autor*innen, dass die größte Gefahr für die II. Säule die demografische Entwicklung ist. Die zweite Säule löst die demografische Entwicklung nicht, sondern verstärkt ihre negative Auswirkung auf zukünftige Renten. „Die Alterung der Investor*innen fördert Verkäufe, um den Vermögensanteil des Portfolios zu reduzieren, und drückt die Preise nach unten“, zitiert José Suárez-Lledó vom CaixaBank Research Institute. Wenn starke Jahrgänge in Rente gehen und ihre Aktiva (Z.B. Aktien) verkaufen werden müssen, wird ihr Preis stark sinken, da die Käufer*innen zahlenmäßig schwächere Jahrgänge sein werden. Diejenigen, die verkaufen müssen, werden in der Mehrheit gegenüber den Käufer*innen sein, was den Preis der Aktiva unweigerlich senken wird. Die heute gemeldeten Aktiva-Preisen und ihr Wertzuwachs sind in dieser Hinsicht ebenfalls irreführend.
Die Teilnehmer*innen der Veranstaltung waren sich einig: Das Hauptproblem und die Gründe für niedrige Renten liegen im allgemein niedrigen Lohnniveau des Landes. Niedrige Löhne bedeuten nämlich sowohl eine niedrige Rentenberechnungsgrundlage als auch niedrige Beiträge, und damit unzureichende Systemeinnahmen. Mehr Beschäftigung und höhere Löhne unterstützen die Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit des Rentensystems mehr als die II. Säule. Aber auch eine Steuerreform wird notwendig sein, um eine gerechte Besteuerung zu erreichen. Basierend auf Daten und Prognosen der OECD hat Vít Samek von der Böhmisch-mährischen Gewerkschaftskonföderation gezeigt, dass wirtschaftlich fortgeschrittene Länder bereits heute schon viel mehr Geld für ihre Renten (als der Anteil am BIP) ausgeben als die Tschechische oder Slowakische Republik. Genug Geld für Renten hängt also von der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft und der Umverteilung des BIPs ab, und nicht von der Schaffung individueller Anlageformen.
Neben dem analytischen Teil enthält die Publikation auch eine Reihe von Politik- und Maßnahmenbereiche, auf denen es laut den Autor*innen möglich und notwendig ist, die Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit des Rentensystems in der Zukunft aufzubauen. Ein Bereich ist dabei der der familienfreundlichen Politik, die darauf abzielt, die demografische Entwicklung durch eine hohe Beschäftigung und Arbeitsproduktivität, Parameteränderungen im Rentensystem und nicht zuletzt durch eine gerechtere Umverteilung des BIPs - eine höhere Lohnpolitik in der Volkswirtschaft - zu verändern. Dies ist zum Beispiel durch die Mindestlohninstitution, Ausweitung der Galtung von Tarifverträgen und andere Maßnahmen möglich.
Das Modell der Reform des Rentensystems wurde von Michal Pícl, dem ehemaligen stellvertretenden Minister und Wirtschaftswissenschaftler der Masaryk-Demokratischen Akademie, vorgestellt. Dieses Modell wurde von der ehemaligen Arbeitsministerin und ihrer Mutterpartei ČSSD in der letzten Regierung der Tschechischen Republik gefördert. Es bestand zum Einen aus der Einführung der sogenannten Nullsäule, einer voll solidarischen Säule, die für jeden Bürger und jede Bürgerin der Tschechischen Republik eine gleiche Grundrente in Höhe von 10 000 Kč (ca. 400 €) vorsieht. Zum anderen aus der ersten Säule, die sich einerseits aus der Höhe des Einkommens und der Versicherungsdauer, also der Berufseinstufung, errechnet und andererseits auch Kinderbetreuung oder Invalidität einberechnete. Damit könnte das System auch auf Unterschiede in der Rentenhöhe zwischen Männern und Frauen reagieren.
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