01.06.2022

Evaluierungsveranstaltung zu den Ergebnissen der Konferenz zur Zukunft Europas

Am 30. Und 31. Mai wurden in Bratislava die Ergebnisse der Konferenz zur Zukunft Europas (Conference on the Future of Europe, CoFoE) aus slowakischer Perspektive evaluiert. Vertreterinnen und Vertreter verschiedener politischer Bereiche diskutierten über die slowakischen Ergebnisse und Erfahrungen mit CoFoE und ergänzten Sie mit der mittel- und osteuropäischen Sicht.

Gerade heute sei es wichtig darüber zu sprechen, in was für einem Europa wir leben wollen, betonte der slowakische Premierminister Eduard Heger in seiner Eröffnungsrede. Einheit sei für die EU dabei ein zentraler Wert, der durch CoFoE noch mehr in den Fokus gerückt werden solle. Auch zahlreiche Gastredner:innen betonten im Laufe der Veranstaltung, dass die Konferenz zur Zukunft Europas einen wichtigen Grundstein für die praktische Erlebbarkeit der deliberativen Demokratie in Europa gelegt habe.

Im Rahmen der CoFoE hatten Bürgerinnen und Bürger das erste Mal in der Geschichte der EU die Möglichkeit, ihre Wünsche und Anregungen an die EU-Institutionen heranzutragen. Die im Bürgerforum festgelegten Themenschwerpunkte reichten dabei von Wirtschaft, über soziale Gerechtigkeit, Bildung und Klimawandel, bis hin zu Werten und Rechten einzelner Bürgerinnen und Bürger. Im slowakischen Kontext stand unter anderem die Rolle der Slowakei auf Augenhöhe mit Europa im Fokus. Dass sich viele slowakische Bürgerinnen und Bürger als EU-Mitglieder zweiter Klasse fühlten sei keine Überraschung, erklärte Zuzana Hozlárová, die als slowakische Bürgerdelegierte an der Konferenz in Brüssel teilgenommen hatte. Viele haben das Gefühl, die slowakische Regierung versage, vor allem im sozialen und ökonomischen Bereich, und setzen ihre Hoffnung nur zaghaft in die nächsthöhere Kompetenz der EU. Es sei wichtig gewesen, diese Euroskepsis vieler Slowaken und Slowakinnen nun in einem offenen Forum an die EU-Institutionen tragen zu können. Auch Daniel Straka aus dem Regierungsbüro der Slowakei betonte die Verantwortung, die die EU in Fragen der Ökonomie und sozialen Gerechtigkeit trage. Es sei ein Problem, dass Mitarbeitende derselben EU-Institution je nach Land, in dem sie arbeiten, unterschiedlich bezahlt werden.

Sowohl auf dem EU-Level als auch in der Slowakei haben Themen rund um Klimaschutz an Relevanz gewonnen, betonte Michal Wiezik, Mitglied des Europäischen Parlaments im zweiten Panel. So unterstreichen die Empfehlungen der Bürgerdelegierten unter anderem die Notwendigkeit eines EU-weiten Green Deals. Die Umfrage in der Slowakei zeige jedoch auch, dass Bürgerinnen und Bürger verunsichert sind, wenn es um die konkrete Umsetzung von Klimamaßnahmen geht, ergänzte Lucia Szabová von der Klimakoalition. Ihrer Ansicht nach sei es nun die Aufgabe der slowakischen und europäischen Politik, die Sorgen der Bürger:innen ernst zu nehmen und Klimaschutz dabei nicht als isoliertes Thema zu behandeln, sondern auch die Konsequenzen und Chancen für andere Bereiche, wie beispielsweise den Bildungssektor und die Sicherheitspolitik, in den Blick zu nehmen. Dass Vertrauen dabei eine zentrale Rolle spiele, hob der offizielle Repräsentant der Europäischen Kommission in der Slowakei hervor. Zwischenmenschliche Werte seien in der slowakischen Bevölkerung sehr geschwächt, kritisierte Vladimír Šucha. Stattdessen läge der Fokus zu oft auf Materiellem, wie unter anderem die wirtschaftskonzentrierte Diskussion im ersten Panel gezeigt hatte. Dabei seien vor allem geteilte Werte das Grundgerüst für eine funktionierende Europäische Union. Gerade jetzt, mit dem Invasionskrieg auf die Ukraine, könne die Slowakei mit ihrer großen Solidaritätsbereitschaft gegenüber ukrainischen Flüchtlingen punkten.

So klang auch der Grundtenor am zweiten Tag der Konferenz, in dem die Teilnehmenden den Blick über die Slowakei hinaus auf andere Länder Mittel- und Osteuropas richteten. Der aktuelle Krieg in Europa habe den Fokus der Konferenz zur Zukunft Europas gegen Ende in eine neue Richtung verschoben, und trotz aller Herausforderungen die Einheit Europas bestärkt. Gleichzeitig wurde im Panel mit dem französischen Botschafter Pascal Le Deunff, der deutschen Botschafterin Barbara Wolf und dem slowakischen Direktor für Europäische Angelegenheiten Tomáš Kozák deutlich, wie unterschiedlich die Erwartungen der Bürger:innen der jeweiligen Länder an die EU sind. Während für Bürger:innen aus Frankreich und Deutschland Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte eine zentrale Kompetenz der EU sein sollten, empfinden Slowakinnen und Slowaken kulturelle und bürgerliche Themen wie Geschlechtergleichheit nicht als Aufgabe der EU, vielmehr sollte sich diese auf den Binnenmarkt und auf die Sicherung von Wohlstand konzentrieren. Es werde nun eine der wichtigsten Aufgaben der EU-Politiker:innen, diesen unterschiedlichen Anforderungen zu begegnen und Frustration zu verhindern, so Zuzana Stuchlíková, wissenschaftliche Referentin bei EUROPEUM. Zudem sei es wichtig, nicht nur auf institutioneller, sondern auch auf bürgerlicher Ebene für mehr Annährung zwischen den EU-Ländern zu sorgen, unterstrich Helfried Carl, ehemaliger österreichischer Botschafter in der Slowakei. In diesem letzten Panel der Evaluierungsveranstaltung wurden die Stärken und Schwächen der CoFoE besonders deutlich. Die Konferenz habe wichtige Erkenntnisse über die Einstellung der Bürger:innen zur EU offenbart, betonten alle vier Panelisten. Sie sei ein wichtiger Startschuss für künftige Projekte dieser Art gewesen, habe sich aber an vielen Stellen als nicht repräsentativ herausgestellt und nur wenige Menschen erreicht. Dennoch habe sie das wichtigste Ziel erfüllt: Bürgerinnen und Bürgern der EU einen Raum zum Austausch zu bieten. Denn, wie die deutsche Botschafterin Barbara Wolf zusammenfasste, letztendlich sei die EU nur so gut, wie sie ihren Bürgerinnen und Bürgern zuhöre.

Die Veranstaltung wurde live auf Youtube und Facebook übertragen. Hier kann sie auf Englisch angehört werden:

Tag 1 Konferenz zur Zukunft Europas
Tag 2 Konferenz zur Zukunft Europas

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