Automatisierung und Robotisierung werden die slowakische Industrie in den kommenden Jahren grundlegend beeinflussen. Die OECD gibt an, dass bis zu 60% der Arbeitsplätze in der Slowakei von irgendeiner Form der Automatisierung betroffen sein werden. Gleichzeitig wird die Branche in den kommenden Jahren über 120.000 Arbeitskräfte brauchen. Das slowakische Bildungssystem und die Wirtschaftsstrategie des Landes sollten auf diese Entwicklungen reagieren. Darüber, wie wir auf diese Herausforderungen vorbereitet sind, diskutierten wir am 28. März 2019 im Rahmen einer in Kooperation mit dem Mitteleuropäischen Institut für Arbeitsforschung CELSI organisierten Diskussion unter Teilnahme des Analysten des slowakischen Finanzministeriums Branislav Žúdel, der stellvertretenden Vorsitzenden des Gewerkschaftsverbands OZ KOVO Monika Benedeková und der CELSI-Analystin Monika Martišková, welche zu diesem Thema eine gleichnamige Studie verfasste.
Vor dem Beginn der Diskussion stellte M. Martišková die wichtigsten Schlussfolgerungen ihrer Studie vor, die im Rahmen des Regionalprojekts FES erarbeitet wurde (Hinweis: Die gesamte Studie ist unter einem Link am Ende des Artikels abrufbar). Im Rahmen des der Studie zugrunde liegenden Konzepts globaler Produktionsnetzwerke definierte M. Martišková die slowakische Automobilindustrie als gut integrierte Peripherie innerhalb der globalen Produktionsnetzwerke. In Abhängigkeit zu dieser Position stehen auch strategische Entscheidungen der Muttergesellschaften, unter anderem im Bereich der Vergütung und des Mitarbeiterstatus. Auf der Grundlage des Konzepts globaler Produktionsnetzwerke (Henderson et al. 2002) und der Position der slowakischen Automobilhersteller in diesen Unternehmen wurde festgestellt, dass die Vergütung der Beschäftigten der slowakischen Automobilhersteller - und der Industrie im Allgemeinen - erheblich steigen würde, wenn sich der Produktionsbeitrag der Tochterunternehmen erhöht und mit verbesserten Fähigkeiten der Belegschaft sowie einem höheren Mehrwert einhergeht.
Din Vizepräsidentin der Metallurgie-Gewerkschaft KOVO M. Benedeková, betonte, dass es trotz der langjährigen Beschäftigung der Gewerkschaften mit der Transformation der slowakischen Industrie, insbesondere der fortschreitenden Robotisierung, immer noch keinen einheitlichen Lösungsansatz gebe. Sie identifizierte als eine der größten Herausforderungen der slowakischen Industrie eine hohe Konzentration auf die Automobilindustrie, die - aufgrund des Trends zur Dekarbonisierung der Industrie - erhebliche Risiken birgt. B. Žúdel vom IFP MFSR war mit dieser Aussage nicht einverstanden. Der slowakische Automobilsektor sei ausreichend diversifiziert - er produziere verschiedene Fahrzeugtypen verschiedener Marken für verschiedene Absatzmärkte. Sinnvoller sei die Reduzierung der Produktion innerhalb einzelner Konzerne als eine Abschaffung der Fabriken.
Während der Diskussion gingen der Panelist_innen auch auf das hochaktuelle Thema des Arbeitskräftemangels ein. In diesem Zusammenhang wies Frau Martišková darauf hin, dass der Ausstieg von Investoren eher auf einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften als auf einen Anstieg der Löhne zurückzuführen sei.
Ein zentrales Thema im Zusammenhang mit der Bewältigung des Industriewandels ist, wie sich die Diskutierenden einig waren, eine umfassende Reform der Berufsbildung, insbesondere der sekundären Berufsbildung. Das slowakische Bildungssystem verfügt in diesem Bereich noch über erhebliche Reserven. Frau Martišková wies darauf hin, dass eine übermäßige Fragmentierung des slowakischen Schulsystems ein erhebliches Hindernis für die Übertragung guter nationaler Strategien auf die Ebene der Schulen darstellt.
Frau Benedeková bezeichnete ebenso die Bildungsreform als das Alpha und Omega. Wenn das Bildungssystem nicht angemessen auf laufende Veränderungen reagiert, hat dies äußerst negative Folgen. Frau Benedeková wies auch darauf hin, dass eine Umschulung von Arbeitnehmer_innen für die digitalisierte Produktion sowohl junge als auch ältere Menschen über 55 Jahre betrifft. Dabei müssen Prognosen berücksichtigt werden, die die Auswirkungen der Automatisierung und die Bedürfnisse verschiedener Arbeitnehmergruppen abbilden.
In der weiteren Diskussion, an der sich die Vertreter_innen von Arbeitnehmer_innen sowie Arbeitgeber_innen, der akademischen und der breiteren Fachwelt auf dem Gebiet des Arbeitsmarktes und der slowakischen Industrie beteiligten, wurde ein konkretes Beispiel eines slowakischen Subunternehmens der Automobilindustrie einer Mutterfirma deutscher Herkunft genannt. Dieses weist eine hohe Rate von Arbeitsplatzverlusten aufgrund des Einsatzes von kollaborativen Robotern auf, sodass nur etwa 6% der vorhandenen Arbeitsplätze erhalten werden konnten.
Die Frage nach der Zukunft des Arbeitsmarktes der slowakischen Industrie, die zu einem hohen Anteil aus der Montageproduktion mit relativ geringer Wertschöpfung besteht, wird im Zusammenhang mit der schrittweisen Automatisierung und Digitalisierung immer dringlicher. Wie die Präsentation von Frau Martišková, die Aussagen der Diskussionsteilnehmer_innen sowie die lebhafte Diskussion mit dem Publikum zeigten, wird das Thema der Veränderungen, die in der slowakischen Industrie bereits zu erwarten und teilweise bereits vorhanden sind, eine verstärkte Aufmerksamkeit sowohl des Staates als auch der Politik, der Arbeitgeber_innen und der Gewerkschaften als Vertreter_innen der Arbeitnehmerinteressen sowie der akademischen und breiteren Fachgemeinschaft erfordern. Der Industriesektor der Slowakei, seine Bereitschaft zum Wandel, seine Verbindung mit dem Bildungssystem, seine Position in globalen Produktionsnetzen - all dies ist und wird für unsere Wirtschaft, den Arbeitsmarkt und die öffentlichen Finanzen von entscheidender Bedeutung sein.
Unter dem Artikel präsentieren wir die wichtigsten Schlussfolgerungen der Studie von M. Martišková und kurze Videogespräche mit den Diskussionsteilnehmer_innen auf unserem Youtube-Kanal.
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