02.05.2022

Online-Diskussion: Wie kann der Zusammenbruch des Gesundheitswesens abgewendet werden?

"Es sieht so aus, als ob das Glas der Geduld überläuft", mit diesem Gedanken eröffnete die Vorsitzende des Progressiven Forums und ehemalige Finanzministerin der Slowakischen Republik Brigita Schmögnerová die Diskussion. Der Vorsitzende des Medizinischen Gewerkschaftsbundes (LOZ) Peter Visolajský, der langjährige Präsident der Slowakischen Ärztekammer Marián Kollár und der Primar des Nationalen Instituts für Onkologie Patrik Palacka diskutierten dabei über ihre Ansichten des aktuellen Stands des Gesundheitswesens, über die Hauptprobleme sowie über die voraussichtliche Entwicklung des Gesundheitssystems in der Slowakischen Republik.

 

Am 5. April 2022 rief die LOZ den Streiknotstand aus und bezeichnete den slowakischen Gesundheitssektor als lahmgelegt, mit einem katastrophalen Zustand der Krankenhäuser und überlasteten Ärzt:innen, Pflegekräften und Sanitäter:innen. Sollte die Regierung nicht reagieren, erwägen die Ärzt:innen Berichten zufolge, entweder die Überstunden in den Krankenhäusern rechtmäßig zu beenden oder massenhaft zu kündigen und damit die Situation von 2011 zu wiederholen.

Die Gründe für dieses seit langem bestehende und sich ständig verschärfende Problem wurden in der Diskussion unter mehreren thematischen Gesichtspunkten erörtert, sowie Lösungen dafür diskutiert. Die Teilnehmenden bestätigten die chronische Unterfinanzierung des slowakischen Gesundheitssystems, wo die staatlichen Zahlungen für die Versicherten 31 Euro betragen ( in der Tschechischen Republik betragen sie 77 Euro), die tatsächlichen Kosten jedoch über 80 Euro liegen. Die hohe Ineffizienz und Verschwendung bei der Finanzierung des slowakischen Gesundheitssystems ist auf die Verzögerung bei der Einführung des DRG-Systems zurückzuführen, das die Höhe der Verfahren, die den Gesundheitseinrichtungen in Rechnung gestellt und erstattet werden, klar definiert. Es ist daher gängige Praxis, dass die gleichen Verfahren von den Versicherungsgesellschaften an verschiedene Gesundheitseinrichtungen erstattet werden, welche die Gesundheitsversorgung zu unterschiedlichen Preisen durchführen.

Auch das stetig wachsende Problem des Personalmangels wurde thematisiert. Nach Angaben des Health Policy Institute fehlten bereits vor der Pandemie 3.500 Ärzt:innen im Gesundheitswesen, weitere 2.000 waren im Rentenalter, und es fehlten etwa 3.500 Krankenpfleger:innen. Darüber hinaus hat die zweijährige Pandemie diese Situation noch erheblich verschärft. Die angekündigte Gefahr von Massenentlassungen könnte daher die Gesundheitsversorgung in der Slowakei in diesem Zustand völlig lahm legen.

Die Diskussionsteilnehmenden sprachen zudem die Optimierung des Krankenhausnetzes an, die weitgehend negativ wahrgenommen wird. Das System der Krankenversicherungen in der Slowakei war ebenfalls ein zentrales Thema, dessen problematischer Charakter durch die Tatsache dokumentiert wird, dass die drei Krankenversicherungen VšZP, Dôvera und Union zwischen 2008 und 2020 Wirtschaftsindikatoren auswiesen, die zeigen, dass die staatliche VšZP 97,58 % ihrer Einnahmen allein für die Gesundheitsversorgung ausgab, die Versicherungsgesellschaft Union 94,44 % und die Versicherungsgesellschaft Dôvera nur 92,45 % ihrer Einnahmen für die Gesundheitsversorgung. Aus der gesetzlichen, d.h. obligatorischen Versicherung der Bürger:innen haben die Versicherungsgesellschaft Dôvera bzw. ihre Eigentümer:innen im Berichtszeitraum einen Gewinn von 679 Mio. Euro ausgeschüttet. Mittel, die für das fehlen, wofür sie eigentlich verwendet werden sollten: für die Leistung und Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Bürger:innen der Slowakischen Republik.

Das vollständige Video der Diskussion finden Sie HIER

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