08.02.2022

Online-Diskussion: Was sind Russlands Interessen in Europa und werden Sanktionen helfen?

Moskau stellt unrealistische Forderungen an seine westlichen NATO-Verbündeten, die die sicherheitspolitische Landkarte auf dem alten Kontinent grundlegend neu zeichnen würden. Russland behauptet, sich bedroht zu fühlen, stellt aber selbst 130 000 Soldaten an der ukrainischen Grenze auf und verschärft die Spannungen in der Region extrem. Was hat Wladimir Putin vor? Mit welchen Sanktionen könnte ein möglicher russischer Angriff auf die Ukraine verhindert werden? Diese und viele andere Fragen erörterte Eva Mihočková, Chefredakteurin von zahranicnapolitika.sk, mit dem Europaabgeordneten Vladimír Bilčík. Die Diskussion wurde von der FES SK in Zusammenarbeit mit SFPA und dem Ministerium für Auswärtige und Europäische Angelegenheiten der Slowakischen Republik am 7. Februar ausgetragen.

Putin ist seit etwa 20 Jahren an der Macht. Er befindet sich derzeit in einer Situation, in der seine Popularität und die Popularität des Regimes, das er in Russland führt, nicht hoch ist - ganz im Gegenteil. Nach Ansicht von MEP V. Bilčík, sorgt "Putins Russland" mit langfristig aggressivem Verhalten für Konflikte in den Nachbarländern. Putin versuche mit allen Mitteln, seine Macht in diesen Ländern zu behaupten. Die Besetzung georgischer Gebiete oder die Annexion der Krim sind Beispiele dafür. Russland "trampelt auf jedem Staat herum, der versucht, sich vom russischen Einfluss zu lösen". Dahinter stehe vor allem der Wunsch, die eigene Machtposition zu stärken. Putins Ziel sei es, die alte Einflusssphäre im ehemaligen kommunistischen Block Europas wiederherzustellen. Das heißt, die NATO soll aus dem Gebiet ihrer östlichen Mitglieder verdrängt werden. All dies, ohne den Willen und die Meinung der Regierungen dieser Länder zu berücksichtigen.

Obwohl die slowakische Öffentlichkeit die NATO-Mitgliedschaft der Slowakischen Republik seit langem unterstützt, gibt es auch diejenigen, die den USA skeptisch und ablehnend gegenüberstehen. Es ist dieser Teil der slowakischen Öffentlichkeit, der die NATO als verlängerten Arm der USA betrachtet. Eine kürzlich durchgeführte Focus-Umfrage zeigt, dass die slowakische Öffentlichkeit die derzeitige Situation sehr widersprüchlich wahrnimmt: fast die Hälfte der Slowak*innen hält die NATO und die westlichen Verbündeten, die Russland bedrohen, für die Aggressoren. Laut V. Bilčík müsse geklärt werden, wer der Aggressor und wer das Opfer sei. Die russische Desinformationsszene verbreitet das Narrativ, dass Russland von der Ukraine bedroht wird, und das Land eine Aufspaltung Russlands plant. Außerdem unterdrückt die ukrainische Regierung laut der russischen Propaganda die russischsprachige Bevölkerung. Damit stellt sich Russland als das Opfer dar, dass sich verteidigen muss. Unter dem Einfluss dieser Regierungspropaganda nimmt die russische Öffentlichkeit die EU und die NATO als Bedrohung wahr.

Sanktionen haben nicht nur eine symbolische, moralische und politische Bedeutung, sondern sie haben auch reale Auswirkungen und Folgen für Russland, so V. Bilchik. Russland versucht seit langem, die Aufhebung oder Lockerung bestehender Sanktionen zu erreichen, und nutzt dazu auch extremistische oder systemfeindliche Parteien in den EU-Mitgliedstaaten, die sich gegen Sanktionen wehren und deren Aktivitäten häufig von der russischen Föderation finanziert werden. Er fügt hinzu, dass die Sanktionen, denen Russland seit 2014 unterliegt, "verschärft und so nah wie möglich an den Kreis derjenigen herangeführt werden müssen, die heute in Russland Macht und Geld besitzen". Als schärfste Sanktion wird daher die Abschottung Russlands von den weltweiten Finanzströmen angesehen, d.h. die Abschottung der russischen Banken vom SWIFT-System. Diese Sanktionen würden zwar nicht nur Russland, sondern auch dem Westen schaden. In jedem Fall, so der Abgeordnete, würden die Folgen Russland jedoch unvergleichlich stärker treffen als die EU, da die EU Russlands größter Handelspartner sei.

Der Diplomatie wird in den kommenden Tagen und Wochen Raum gegeben werden, um eine Lösung für die Situation zu finden. Russland zeigt sich verhandlungsbereit, stellt dabei aber unmögliche Forderungen. Das wirft die Frage auf, ob es sich mit Russland überhaupt verhandeln lässt. Nach Ansicht von V. Bilčík, ist es auch in einer solchen Situation wichtig herauszufinden, was Russland will, an welchem Punkt wir uns möglicherweise treffen können und wo die roten Linien im Hinblick auf unser gemeinsames europäisches und slowakisches Interesse liegen.

Sie können sich die vollständige Aufzeichnung der Diskussion HIER ansehen.

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