16.06.2022

Öffentlich-rechtliches Mediensystem: Wo kann die Slowakei Inspirationen finden?

Unabhängige öffentlich-rechtliche Medien sind gerade in der heutigen, immer schneller werdenden Informationswelt eine unabdingliche Informationsquelle. Ob diese ihrem Auftrag gerecht werden, hängt jedoch in hohem Maße von dem System ab, in dem sie tätig sind und von den Regeln, die sie regulieren. Expert:innen aus der Slowakei, Tschechien und Deutschland diskutierten am 14. Juni über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Mediensysteme der Länder.

Anlass der Diskussionsrunde war die Wahl des neuen Direktors der slowakischen öffentlichen Rundfunkanstalt RTVS. Trotz Versprechungen der neuen Regierung wird die Nominierung des neuen Direktors noch immer hinter verschlossenen Türen abgehalten. Damit büßen die Medien ein großes Maß an ihrer Unabhängigkeit ein und verlieren damit Vertrauen in der Gesellschaft, kritisiert Pavol Szalai, Leiter der EU- und Balkanregion von Reporter ohne Grenzen. Im Nachbarland Tschechien sehe die Situation etwas besser aus, dort sei das Vertrauen der Bevölkerung in die Medien hoch, so Marína Urbániková, Assistenzprofessorin im Fachbereich Medienwissenschaft und Journalismus an der Masaryk-Universität in Brünn. Grund dafür sieht sie unter anderem in der Wahl des Rundfunkdirektors, der vom Fernsehrat und nicht von Politiker:innen gewählt wird. Auch das Programmangebot erreiche die Bevölkerung zuverlässig, sogar während der Pandemie haben die öffentlich-rechtlichen Sender ein umfangreiches und diverses Programm gesendet. Problematisch sei jedoch die Finanzierung, hebt Marína Urbániková hervor. Seit 2008 wurde der Rundfunkbeitrag nicht mehr erhöht – trotz steigender Kosten für die Medienanstalten. Ihrer Meinung nach wäre es eine mögliche Lösung wäre, mehr Steuern für die öffentlich-rechtlichen Medien aufzuwenden.

Heike Raab, Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz und Staatssekretärin für Europa, Medien und Digitales auf europäischer Ebene erkennt darin eher eine Gefahr. Die Rundfunkgebühren sollten strikt von den staatlichen Finanzen getrennt sein, um eine Abhängigkeit zu verhindern. Gleichzeitig betont die Staatssekretärin die Verschiedenheit der Slowakei, Tschechien und Deutschland. Deutschland habe in der Vergangenheit schmerzhaft erleben müssen, was es heißt, die Kontrolle über die Medien zu verlieren. Damit so etwas nie wieder passiert, sei das Mediensystem pluralistisch und unabhängig vom Staat aufgebaut. Die Rundfunkräte sind divers aufgestellt mit Vertreter:innen verschiedenen Vereinigungen wie Kirche, Fraktionen und Gewerkschaften. Sie haben finanzielle Freiheit und wählen ihren Direktor selbst. Dass es schwierig wird, dieses Modell 1:1 auf die Slowakei oder Tschechien anzuwenden sei klar. Sie plädiere jedoch für mehr Unabhängigkeit der Rundfunkanstalten, und das sei mit einem diversen und freien Rundfunkrat am ehesten gegeben.

Auch Marína Urbániková betonte, dass die Slowakei ein Modell finden müsse, das sich in die instutionellen Rahmenbedingungen einfüge. Denn letztendlich sei es der Aufbau des Mediensystems, das in der Praxis die tatsächliche Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien bestimme. Ein erster Schritt dahin sei die anstehende Wahl des neuen Direktors von RTVS, so Pavol Szalai. Die Abgeordneten seien in der Verantwortung, auf die Einschätzung der beratenden Komission zu vertrauen und darauf zu achten, dass größtmöglicher politischer Konsens über die Person des oder der Kandidat:in herrsche. Gleichzeitig dürfe die Wahrnehmung des/der Kandidat:in in der Öffentlichkeit nicht außer Acht gelassen werden. Der oder die zukünftige Direktor:in sollte möglichst großen Erfolg bei der öffentlichen Anhörung erfahren, Expert:in für Management und Medien sein und auch als solche in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, sowie politisch unabhängig sein. Mit einer unabhängigen und für die Medienfreiheit kämpfenden Spitze könne die Slowakei eine wichtige Grundlage legen für ein Mediensystem, das unabhängig, frei und zuverlässig informiert.

Die ganze Diskussion auf Slowakisch finden Sie HIER

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