27.05.2022

Slowakei: Gewerkschaftsmonitor

Gewerkschaften sind in der Slowakei weniger etabliert als in Deutschland: Sie müssen um ihre Legitimität kämpfen, werden von der breiten Öffentlichkeit als ein Relikt der sozialistischen Ära wahrgenommen und leiden an Mitgliederschwund. Die slowakische Vertretung der Friedrich-Ebert-Stiftung stellt den Gewerkschaftsmonitor aus dem Jahr 2021 vor.

12 bis 15 Prozent aller Arbeitnehmenden in der Slowakei sind Mitglied einer Gewerkschaft. Dieser Organisationsgrad variiert stark zwischen den Gewerkschaften, sowie dem privaten und öffentlichen Sektor. Ein Mitgliederschwund lässt sich jedoch in allen Einzelgewerkschaften beobachten.

Die gesellschaftliche Skepsis gegenüber Gewerkschaften beruht hauptsächlich darauf, dass sie von Arbeitnehmer:innen nicht als ihre Interessenvertretung wahrgenommen werden und somit auch nicht als politische Akteure. Die Zersplitterung der internen Strukturen, der Mitgliederschwund und eine fehlende Vision stellen die Gewerkschaften vor zusätzlichen Herausforderungen, auch finanzieller Art. Es fehlt an Nachwuchs, handlungsfähigen regionalen Strukturen und Expert:innen, die Strategien zu den Auswirkungen von Digitalisierung und Klimawandel erarbeiten können. Auch die politische Entscheidungskraft der Gewerkschaften leidet darunter. Die Tripartität ermöglicht Gewerkschaften zwar die Teilnahme an der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften und Gesetzesvorhaben, aber sie haben dabei ein geringes Stimmgewicht. Insbesondere die neue Regierung unter Igor Matovič hat kein Interesse an einem konstruktiven Dialog mit den Gewerkschaften. Sie hat gar die Absicht, die Gewerkschaften aus dem Sozialdialog zu drängen und ihre Position zu schwächen.

Dabei nehmen die Gewerkschaften auch in der Slowakei eine zentrale Rolle ein, wenn es um Arbeitnehmerrechte und die Aushandlung von Tarifverträgen geht. Betriebliche Organisationen haben das Recht, Kollektivverträge zu verhandeln, die nach Abschluss auch für Nichtmitglieder gültig sind. Im Vergleich zu Deutschland sind es jedoch verhältnismäßig wenige Punkte, in denen die Arbeitgeber die Gewerkschaften befragen müssen. Es gibt keine unabhängigen Betriebsräte und die ausgehandelten Tarifverträge setzen nur minimale Beschäftigungsstandards, die nicht über gesetzlich vereinbarte Rechte hinausgehen. Dies sorgt für Kritik an den Gewerkschaften.

Ungefähr 24 Prozent der Beschäftigen waren im Jahr 2018/19 in der Slowakei durch Tarifverträge abgesichert (Quelle: WSI), in Deutschland waren es im selben Jahr 46 Prozent (Quelle: tagesschau). Der signifikante Unterschied unterstreicht die Notwendigkeit, mit der Gewerkschaften in Zukunft um ihre politische Mitwirkung kämpfen müssen, um Arbeitnehmende im Kampf um ihre Rechte zu unterstützen. Dabei sei es zunächst wichtig, ein gutes Verhältnis zu den beiden sozialdemokratischen Parteien SMER-SD und Hlas aufzubauen, empfiehlt die FES. Gleichzeitig müssen die Einzelgewerkschaften und der Dachverband dabei auf ihre Unabhängigkeit achten und verhindern, politisch instrumentalisiert zu werden.

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